Incident Response Management: Eine eigene Kategorie

In den letzten Wochen habe ich mit mehreren Opsgenie-Kund:innen gesprochen, die nach Atlassians Entscheidung, Opsgenie auslaufen zu lassen und dessen Funktionen in andere Produkte zu integrieren, einen Wechsel zu ilert prüfen. Atlassian bietet Opsgenie-Nutzer:innen „zwei Optionen: den Wechsel zu Jira Service Management für umfassendes Incident Management oder zu Compass für Alerting und On-Call-Management.“ Diese Entscheidung wirft eine grundsätzliche Frage in unserer Branche auf:
Ist Incident Response Management (IRM) eine eigenständige Kategorie – oder nur ein Feature in einer größeren Plattform?
Ich möchte diese Frage aufgreifen und erläutern, warum ich fest davon überzeugt bin, dass IRM eine eigenständige, essenzielle Kategorie bleibt – und nicht einfach ein weiteres Feature ist. Dabei teile ich Erkenntnisse aus Gesprächen mit Kund:innen und zeige, warum ilert konsequent auf eine vendor-neutrale Integrationsstrategie setzt – selbst wenn das bedeutet, eigene Funktionen wie Uptime Monitoring einzustellen.
Was wir aus Opsgenies Ausstieg gelernt haben
Beginnen wir mit den Erkenntnissen aus dem Ende von Opsgenie. Gemeinsam mit PagerDuty war Opsgenie ein Pionier, der das Feld des Incident Response Managements maßgeblich geprägt hat. Sein Aus ist daher bittersüß. Viele Nutzer:innen äußerten Frust darüber, dass die Weiterentwicklung stagnierte, während Atlassian Opsgenies Funktionen nach und nach in Jira Service Management (JSM) integrierte. Einige sind schon vor Atlassians offizieller EOL-Ankündigung zu ilert gewechselt – mit der Begründung, dass Opsgenie sich nicht weiterentwickelte, weil es in JSM aufging.
Genau darin liegt das Problem: Die All-in-One-Lösung JSM enthält zwar Funktionen für Incident Response, kann aber für Teams, die ein schnelles, flexibles Tool für Alerting und On-Call brauchen, umständlich sein. Das Schicksal von Opsgenie zeigt, wie Incident Management eher als Feature eines umfassenderen Toolsets (wie ITSM oder Developer-Portale) verstanden wird – und nicht als eigenständiges Produkt.
Viele Opsgenie-Nutzer:innen, mit denen ich sprach, prüfen zwar die Optionen von Atlassian, sehen sich aber bewusst auch nach spezialisierten IRM-Plattformen um – aus dem Gefühl heraus, dass Incident Response sonst zu kurz kommen würde. Diese Intuition bestätigt eine Erkenntnis, die viele von uns in der Branche teilen.
IRM: Feature oder eigenständige Plattform?
Die Frage ist berechtigt: Könnte Incident Response im Zuge der Weiterentwicklung angrenzender Kategorien (Monitoring, Observability, ITSM) einfach ein Feature unter vielen werden? Viele Monitoring-Tools enthalten mittlerweile Alerting-Funktionen, und IT-Service-Plattformen bieten Incident-Module. Atlassians Umgang mit Opsgenie ist ein prominentes Beispiel dafür, IRM als Bestandteil eines größeren Produkts zu behandeln.
Aber: Es gibt gute Gründe, warum spezialisierte IRM-Plattformen wie ilert, PagerDuty und xMatters existieren – und weiterhin wachsen. Incident Response ist eine besondere Herausforderung, die Mensch und System in kritischen Momenten miteinander verbindet. Wenn IRM nur ein Feature ist, wird diese Komplexität schnell unterschätzt. Der eigentliche Mehrwert einer IRM-Plattform liegt darin, als zentrale Dispatcher-Instanz zwischen Menschen und Maschinen zu agieren – genau dann, wenn es zählt. Und das geht weit über das hinaus, was ein Zusatzmodul leisten kann.
Ein Vergleich: Niemand würde „Kundensupport“ bloß als Feature seines E-Mail-Dienstes betrachten – auch wenn Support über E-Mail möglich ist. Unternehmen setzen gezielt auf spezialisierte Support-Plattformen. Genau deshalb braucht auch Incident Response ein eigenes, dafür entwickeltes Tool.
Warum Incident Response Management eine eigene Kategorie bleibt
Aus meiner Sicht bleibt IRM aus mehreren Gründen eine eigenständige Kategorie:
- Zentrale Alert-Weiterleitung. Eine echte IRM-Plattform fungiert als zentrale Stelle für alle kritischen Alerts – unabhängig von ihrer Quelle. Sie sammelt Signale aus verschiedensten Monitoring-, Observability- und Automatisierungstools und stellt sicher, dass sie zur richtigen Zeit bei den richtigen Personen landen. Diese „Single Pane of Glass“ für Incidents ist kaum zu erreichen, wenn Incident Management über verschiedene Module in verschiedenen Systemen verteilt ist. Weder JSM noch Compass allein können diese zentrale Dispatcher-Rolle abbilden – dafür braucht es ein spezialisiertes IRM-Tool.
- Spezialisierte On-Call- und Eskalations-Workflows. IRM-Plattformen bieten tiefgehende Funktionen wie Bereitschaftsplänen, Rotationsmanagement, mehrstufige Eskalationen, automatische Stakeholder-Benachrichtigungen und Post-Mortem-Dokumentation. Diese Funktionen sind nicht nebensächlich – sie sind das Herzstück. Wird Incident Response nur als Feature betrachtet, sind solche Funktionen oft eingeschränkt oder versteckt. Ein eigenständiges IRM-System fokussiert sich gezielt auf kurze Reaktionszeiten und effiziente Zusammenarbeit im Ernstfall.
- Vendor-neutrale Integrationen. Ein entscheidender Punkt: IRM-Plattformen müssen mit einer Vielzahl an Tools funktionieren – Monitoring-Systeme, Observability-Plattformen, ITSM, Chat-Tools, CI/CD-Pipelines und mehr. Wer auf ein IRM-Feature innerhalb einer Suite setzt, läuft Gefahr, sich in einem geschlossenen System zu verlieren. Eine eigenständige IRM-Plattform ist von Grund auf vendor-neutral. Bei ilert bedeutet das z. B., dass wir bewusst kein Monitoring-Tool mehr anbieten – um unsere Unabhängigkeit zu wahren und mit allen Monitoring-Anbietern partnerschaftlich zusammenzuarbeiten.
- Leichte Ergänzung zur bestehenden Toolchain. Ein IRM-Tool ersetzt kein Monitoring und kein ITSM – es ergänzt sie. Viele Unternehmen kombinieren z. B. ServiceNow für Dokumentation und Compliance mit ilert für Paging und Koordination in Echtzeit. Während ServiceNow strukturierte ITIL-Prozesse abbildet, sorgt ilert für schnelles, menschliches Eingreifen. Über 100 Integrationen mit Monitoring-, Observability-, ITSM- und Chat-Tools machen diese flexible Orchestrierung möglich.
- Fokus und Innovationskraft. Wenn IRM eine eigenständige Kategorie bleibt, kann auch echte Innovation stattfinden. Die Teams hinter spezialisierten Tools arbeiten fokussiert an genau einem Problem: effektives Incident Response. Das führt zu besseren Nutzererlebnissen, intelligenterem Alert Routing (inkl. KI), verbesserten Status Pages und tiefergehender Analytik – alles passgenau für Incident Management.

Integration statt Konkurrenz: ilerts vendor-neutrale Haltung
Ein konkretes Beispiel für IRM als eigenständige Kategorie ist unsere Produktstrategie bei ilert. Unser Ziel ist es, bestehende Toolchains zu ergänzen, nicht zu ersetzen. Deshalb haben wir unsere Uptime-Monitoring-Funktion eingestellt – um konsequent integrationsfreundlich und neutral zu bleiben.
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In unserer Ankündigung dazu erklärten wir: Nur so können wir vermeiden, mit Monitoring-Partnern in Konflikt zu geraten. Wir wollen nie einseitig eine bestimmte Datenquelle bevorzugen – unsere Aufgabe ist es, alle Alerts zuverlässig an die richtigen Personen weiterzuleiten.
Dieses integrative Denken zahlt sich aus: ilert funktioniert mit bestehenden Systemen, ohne dass Nutzer:innen Tools wechseln oder einschränken müssen. Über 100 Integrationen – z. B. mit Jira, ServiceNow, Datadog, CloudWatch, Slack und Microsoft Teams – belegen das. Ehemalige Opsgenie-Kund:innen schätzen genau diese Offenheit und den klaren Fokus von ilert.
Die IRM-Plattform als zentrale Dispatcher-Instanz
Im Kern ist eine Incident Response Management-Plattform der zentrale Dispatcher zwischen Menschen und Systemen – insbesondere während Ausfällen oder kritischen Ereignissen. Die meisten Unternehmen verfügen über Monitoring-Tools, die Probleme erkennen, und Ticketing-Systeme, die Aufgaben erfassen und zuweisen. Doch es ist die IRM-Plattform, die diese Lücke in Echtzeit schließt – sie sorgt dafür, dass um 2 Uhr morgens das richtige Telefon klingelt und das Team sofort reagieren kann. Sie koordiniert Menschen (über Alerts, Eskalationen und Zusammenarbeit) auf Basis von Maschinensignalen.
Diese Rolle ist einzigartig. Wenn man Incident Response ausschließlich über ein Monitoring-Tool abwickeln will, erhält man zwar Alerts, lässt jedoch wichtige menschliche Workflows wie Eskalationen oder teamübergreifende Kommunikation außen vor. Versucht man dasselbe rein über ein ITSM-Tool, verliert man oft an Geschwindigkeit und Einfachheit – weil Notfälle zu Tickets werden, was Verzögerungen und Bürokratie mit sich bringen kann.
Der wahre Wert einer IRM-Plattform zeigt sich darin, wie gut sie bestehende Investitionen verbindet und beschleunigt: Monitoring wird handlungsfähiger, On-Call-Teams effektiver, und der gesamte Incident-Prozess transparenter. Und all das, ohne dass man seine bestehenden Tools für Observability oder ITSM ersetzen muss. Genau deshalb sehe ich IRM als eigenständige Säule im Tech-Stack – als eine Art „Mission Control“, die neben Observability und ITSM steht, nicht in ihnen.
Abschließende Gedanken
Die Frage „Kategorie oder Feature?“ ist wichtig – besonders in einer Zeit, in der Plattformen sich rasant weiterentwickeln. Im Fall von Incident Response Management zeigen meine Erfahrung und die Gespräche mit Kund:innen klar: IRM bleibt eine eigenständige Kategorie.
Die Bedeutung von Incidents ist zu hoch, die Zahl notwendiger Integrationen zu groß und die spezifischen Workflows zu komplex, um IRM als nachgelagertes Feature oder Checkbox-Funktion zu behandeln. Stattdessen sollten wir IRM-Plattformen als ergänzende Partner zu unseren Monitoring-, DevOps- und ITSM-Tools sehen – jede mit ihrem eigenen Fokus.
Für uns bei ilert bedeutet das: Wir verfolgen konsequent das Ziel, der zuverlässigste Dispatcher of Trust zu sein – zwischen allen Systemen, die Probleme erkennen, und allen Menschen, die sie lösen. Wir integrieren. Wir orchestrieren. Und wir bleiben vendor-neutral, damit sich unsere Nutzer:innen auf eine Plattform verlassen können, die Incident Response in den Mittelpunkt stellt.
In einer Welt, in der sich alles – von Cloud-Diensten bis Ticketing-Systemen – immer weiter verzweigt, liegt großer Wert in Spezialisierung. Incident Response Management ist genau das: eine eigenständige Disziplin und Plattform, die sicherstellt, dass kritische Vorfälle so schnell wie menschlich (und technologisch) möglich behoben werden.
